8. Weltmeisterschaften

Paris 1933

DER TISCHTENNISSPORT IN DEN MEDIEN

 

 

Vom 2.-10. Dezember trug der Französische Tischtennisverband (FFTT) die zweiten Tischtennisweltmeisterschaften des Jahres 1933 aus. Sie galten für die Saison von 1933 auf 1934 und fanden im Saal Marbeuf in der Nähe der Avenue Champs Élyssées statt.

Direkt zu Beginn der Weltmeisterschaften machte sich zumindest für das deutsche Team der neue Kurs nationalsozialistischer Politik bemerkbar. Die "schlechten" Leistungen der deutschen Nationalspieler passten nicht in die Doktrin der Überlegenheit der nordischen Rasse. Zudem stammte der beste deutsche Nationalspieler auch noch aus Griechenland und so konnte die deutsche Vertretung erst einmal zu Hause bleiben.

Aber auch ohne die deutsche Mannschaft gab es bei dieser Weltmeisterschaft eine neue Rekordteilnahme. Mit den Debütanten aus den Niederlanden, Polen und der Schweiz gab es zwölf Teilnehmer, die bei den Mannschaftskämpfen dabei sein wollten.

Die Ungarn gewannen in ihrer stärksten Aufstellung wieder gegen alle Mannschaften. Beim Kampf um den zweiten Platz schienen zuerst die Tschechen ihre Position hinter den Ungarn zu halten. Sie gewannen gegen die Mitfavoriten Kohn, Schediwy und Liebster aus Österrreich mit 5:1. Danach verloren sie aber gegen eine polnische Mannschaft, die von ihnen stark unterschätzt worden war. Entscheidend waren die letzten beiden Spiele des tschechische Meisters Kolar. Er wurde von dem vollkommen unbekannten Polen Phorylles besiegt und hatte anschließend im Spiel gegen Ehrlich keine Chance.

Das Spiel zwischen Österreich und Polen ging schließlich mit 5:1 an Österreich, so dass in der Endabrechnung der zweite Platz an Österreich, der dritte an die Tschechoslowakei und der vierte Platz an die polnische Mannschaft ging.

Der vierte Platz der Debütanten aus Polen war eine Sensation, denn die junge Mannschaft war durch den engagierten "Alex" Ehrlich zustande gekommen. Er hatte sich kurz vor Beginn des Swaythling-Cups zwei in Paris studierende Landsleute ausgesucht und für Polen aufgestellt.

Platzierungen im Swaythling-Cup - Herrenmannschaften:

1. Ungarn (MF: A. Wilcsek, G.V. Barna, L. Bellak, L. David, T. Hazi, M. Szabados), 2. Österreich, 3. Tschechoslowakei, 4. Polen, 5. Frankreich, 6. Lettland, 7. England, Jugoslawien und Indien, 10. Schweiz, 11. Belgien, 12. Niederlande.

 

Der Präsident der FFTT, Marcel Corbillon, präsentierte eine Neuheit im Tischtenniswettbewerb. Die Damen konnten in einer Zweier-Mannschaft um den von ihm gestifteten "Corbillon-Cup" kämpfen. Den Spielablauf übernahm er aus dem Tennis-Davis-Cup.

Insgesamt nahmen sechs Damenmannschaften teil, die - genau wie bei den Herren - alle gegeneinander spielen mussten. Erst in der letzten Begegnung fiel die Entscheidung für die Titelvergabe. Sowohl die deutschen Spielerinnen Krebsbach, Felguth und Müller-Rüster, als auch die Ungarinnen Gal und Mednyanszky hatten mit ihrer Mannschaft noch kein Spiel verloren. Beim Stand von 2:2 zwischen den beiden führenden Teams, kam es zum Spitzenkampf der beiden besten Spielerinnen des Corbillon-Wettbewerbs. Maria von Mednyanszky gewann den ersten Satz zu 14, konnte sich dann aber nicht mehr ausreichend konzentrieren. Krebsbach besiegte Mednyanszky mit Schlägen, die sonst typisch für die Ungarin selber waren. Mit ihrer sicheren Schnittverteidigung und einigen gefährlichen Rückhand-Schüssen aus dem Handgelenk gewannen Krebsbach und ihre Mitspielerinnen zum ersten Mal den Corbillon-Cup.

 

 

Abb. 61 A. Felguth und A. Krebsbach mit dem Corbillon-Cup

 

Den dritten Platz nahmen die beiden Tschechinnen Kettnerov  und Smidov  ein. Mit knappen 4:5-Niederlagen gegen die beiden führenden Damenmannschaften und einer ausgewogenen Anwendung von Rückhand und Vorhand konnte man für die nächsten internationalen Begegnungen mehr von ihnen erwarten.

Platzierungen im Corbillon-Cup - Damenmannschaften:

1. Deutschland (MF: H. Heim, A. Felguth, A. Hänsch, A. Krebsbach, E. Müller-Rüster), 2. Ungarn, 3. Tschechoslowakei, 4. England, 5. Frankreich, 6. Niederlande.

 

Unter den rund hundert Teilnehmern im Herreneinzel befanden sich viele neue Gesichter. Der berühmte Tennisspieler, Jean Ren‚ Lacoste, versuchte sich im Tischtennis, schied aber direkt in der ersten Runde aus. Die Zeiten, in denen renommierte Tennisspieler auch Erfolge im Tischtennis erzielen konnten, waren vorbei. Der Tischtennismeister der Vereinigten Staaaten, Marcus Schussheim, kam immerhin bis in die dritte Runde. Doch besonders der langgewachsene Pole Alex Ehrlich sorgte für Aufsehen. Er gelangte bis ins Viertelfinale und musste sich erst nach einer knappen 2:3 Niederlage gegen Szabados geschlagen geben. Nach diesem langen Spiel traf Szabados auf Bellak, der mit seinem aggressiven Spiel die letzten Konzentrationsreserven von ihm forderten. Auch bei diesem Wettkampf kam es nach folgenden Ergebnissen von 21:19, 16:21, 19:21 und 28:26 zum fünften Satz, in dem Bellak deutlich als Sieger hervorging. Das parallel verlaufende Spiel um den Einzug ins Finale bot einen klaren Sieg von Barna über seinen Landsmann Hazi.

Als Barna wußte, dass sein alter Freund Bellak der Gegner in seinem fünften Weltmeisterschaftsfinale sein würde, betrachtete er sich schon im vorhinein als Sieger. Er war selbstbewußt genug, um die ungeduldigen 1500 Zuschauer noch einige Zeit auf den Höhepunkt warten zu lassen. Barna bestand darauf, durch die Haupteingangspforte in den Saal Marbeuf zu gelangen und verlängerte seine Kaffeepause so lange, bis er seinen Willen bekam. Als Barna als erster die Wettkampfstätte betrat, wurde er vom französischen Publikum heftig mit Beifall überschüttet. Wütend über den großen Auftritt seines alten Freundes versuchte Bellak diesmal ernsthaft zu gewinnen. Er griff mit seinen gefährlichen Konterschlägen ständig an und gewann zwei Gewinnsätze. Doch konnte er das schnelle und riskante Spiel nicht lange durchhalten und Barna wurde im selben Jahr zweimal Weltmeister.

Finale im Herren-Einzel:

Gyözö Viktor Barna (Ungarn) - Laszlo Bellak (Ungarn) 3:2 (12:21, 21:14, 15:21, 21:5, 21:14).

1. Barna (Ungarn), 2. Bellak (Ungarn), 3. Szabados und Hazi (beide Ungarn).

 

Im Dameneinzel wurden die Siegesfolgen der Ungarinnen Mednyanszky und Sipos endlich unterbrochen. Sipos schied nach anstrengenden 3:2-Erfolgen über die deutschen Abwehrspezialistinnen Bussmann und Hänsch gegen die Engländerin Dona Emdin aus. Mednyanszky überstand das Feld sogar nur bis zur zweiten Runde und musste eine deutliche Niederlage gegen die Tschechin Smidov  einstecken. Somit war außer Magda Gal keine Ungarin mehr in der Spielerrunde. Neuer Favorit war nun die deutsche Spielerin, die im Corbillon-Wettbewerb so erfolgreich gespielt hatte. Astrid Krebsbach zog mit einem 3:1-Sieg über Gal in das Endspiel ein. Ihr gegenüber stand die Tschechin Kettnerov , die es gegen die englische Meisterin mit einem 3:2-Erfolg sehr viel schwerer gehabt hatte, um das Endspiel zu erreichen.

Kettnerov  wollte unbedingt ihre Niederlage aus dem Mannschaftskampf begleichen. In eng aufeinanderfolgendem ausgeglichenem Punktewettstreit konnte sie ihre Gegnerin in vier Sätzen bezwingen.

Finale im Damen-Einzel:

Marie Kettnerov  (Tschechoslowakei) - Astrid Krebsbach (Deutschland) 3:1 (21:18, 21:16, 21:23, 21:18).

1. Kettnerov  (Tschechoslowakei), 2. Krebsbach (Deutschland), 3. Emdin (England) und Gal (Ungarn).

 

 

 

Abb. 62 Die Finalteilnehmerinnen im Dameneinzel: Astrid Krebsbach und Marie Kettnerov 

 

Das Herrendoppel war wieder eine Routineangelegenheit für das Paar Barna/Szabados. Im Endspiel zeigte vor allem nocheinmal Glancz, dass er ein ausgezeichnetes Gespür für das Doppel besaß. Zusammen mit Hazi konnte er aber wenig unternehmen, um den fünften Titel den beiden Favoriten streitig zu machen.

Finale im Herren-Doppel:

G.V. Barna/M. Szabados (Ungarn) - S. Glancz/T. Hazi (Ungarn) 3:0 (21:11, 21:18, 21:15).

1. Barna/Szabados (Ungarn), 2. Glancz/Hazi (Ungarn), 3. Nitray/Boros (Ungarn) und Hamr/Kohn (Tschechoslowakei/Ungarn).

 

Beim Doppel der Damen offenbarte sich nocheinmal, dass das Leistungsniveau der Spielerinnen immer näher zusammenrückte. Viele Begegnungen konnten erst im fünften entscheidenden Satz gewonnen werden. Trotzdem schafften es wieder Mednyanszky/Sipos, wenigstens diesen Titel weiter zu behalten. Ihre Gegnerinnen im Finale, Krebsbach und Felguth, konnten den Erfolg im Mannschaftswettbewerb nicht wiederholen.

Finale im Damen-Doppel:

M. von Mednyanszky/A. Sipos (Ungarn) - A. Felguth/A. Krebsbach (Deutschland) 3:1 (13:21, 22:20, 21:14, 21:17).

1. Mednyanszky/Sipos (Ungarn), 2. Felguth/Krebsbach (Deutschland), 3. Bussmann/Gal (Deutschland/Ungarn) und Kettnerov / Smidov  (Tschechoslowakei).

 

Unter den 24 Paaren der Damen und Herren bewiesen noch einmal die Ungarn, dass sie die internationale Tischtennisszene beherrschten. Mednyanszky/Szabados holten sich gegen Sipos/Barna zum zweiten Mal den Titel im Gemischten Doppel.

Finale im Gemischten Doppel:

M. von Mednyanszky/M. Szabados (Ungarn) - A. Sipos/G.V. Barna (Ungarn) 3:1 (17:21, 21:12, 22:20, 22:20).

1. Mednyanszky/Szabados (Ungarn), 2. Sipos/Barna (Ungarn), 3. Berry/Bellak (England/Ungarn) und Smidov /Kolar (Tschechoslowakei).

 

Nach den Spielen wurde vom ITTF-Komitee festgelegt, dass einige Wanderpokale und Preise ihren festen Namen bekommen sollten. Der Swaythling-Cup, der einst von der Mutter von Ivor Montagu gestiftet wurde, war schon immer begehrtes Prunkstück der ungarischen Herrenmannschaft. Neu hinzu kam jetzt der Corbillon-Cup der Damenmannschaften. Auch die Vase für den besten Spieler im Herreneinzel erhielt endlich einen Namen, obwohl sie schon seit vier Jahren bei Weltmeisterschaften verliehen wurde. Der große Pokal hieß nun "St. Bride Vase", benannt nach dem renommierten Londoner "St. Bride Institute Table Tennis Club", der ihn im Jahre 1929 zur Verfügung gestellt hatte. Seit 1931 gab es für die Weltmeisterin im Dameneinzel den "Gaspar-Geist-Preis". Der Präsident des ungarischen Verbandes, Dr. Gaspar Geist, stiftete diesen Pokal bei den 5. Weltmeisterschaften in Budapest. Die Wanderpreise für die Doppelwettbewerbe kamen erst nach dem II. Weltkrieg hinzu.

Ein weiterer wichtiger Beschluss des 8. ITTF Kongresses resultierte aus der massiven Welle der Judenhetze in Deutschland. Bereits im April 1933 mussten verdiente Funktionäre des DTTB wie die Herren Dr. H. Caro und F.R. Zinn, der sogar Mitglied des ITTF Komitees war, ihren "freiwilligen" Rücktritt erklären, weil sie als "nicht-arische" Mitglieder unerwünscht waren. Weniger extremistische Formen des Rassismus offenbarten sich in England und den Vereinigten Staaten, die sich größtenteils auf öffentliche diskriminierende Zuweisungen beschränkten. "Farbige" waren vom Leben in höheren Gesellschaftskreisen ausgeschlossen. Ivor Montagu formulierte deshalb ein neues Grundprinzip der ITTF Satzung, das einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg der internationalen Entwicklung des Tischtennissports leistete:

Jede Person, unabhängig von Hautfarbe, Rasse oder Glaubensbekenntnis, sollte die Möglichkeit besitzen, in ihrem Land die Verbandsmitgliedschaft zu erwerben. Jeder sollte uneingeschränkt den Tischtennissport ausüben können.

Sieht man einmal von den Leistungen im Damentischtennis ab, so gab es wenig Neuigkeiten in der Tischtennisszene. Bei den Herren dominierten nach wie vor die Ungarn.

Allerdings wurde im Rahmen dieser Weltmeisterschaften deutlich, dass es neue Vermittlungswege gab, die das Wettkampftischtennis für eine breitere Masse von Personen zugänglich machte. Die Nationalverbände brachten ihre eigenen Fachzeitschriften heraus, in denen sich jeder erfolgreiche Spieler oder Mannschaft verewigen wollte. Schon damals waren solche Organe der Verbände vor allem Spiegelbild der Leistungen hervorragender Wettkampfergebnisse. Am groben Aufbau der Zeitschriften hat sich bis heute kaum etwas geändert. Sie bestehen in ihren wesentlichen Anteilen aus Werbung, Bildern, Kommentaren und Wertungen bestimmter herausragender Turniere und kleinen Anekdoten. Werbeanzeigen waren damals wie heute wichtige Einnahmequellen für die Finanzierung einer Fachzeitschrift. So bot z.B. der französische Ballhersteller "Reina" dem FFTT 8.000 Francs für eine Anzeige, die den Lesern weissmachen sollte, dass nur ihre Bälle von der ITTF bei den kommenden Weltmeisterschaften zugelassen waren. Dieser Zwischenfall, der einen energischen Protest der ITTF nach sich zog, demonstrierte in negativer Hinsicht, dass die enge Verknüpfung von Sport und Geschäft im Tischtennis immer weiter fortgesetzt werden sollte.

Neben den "anzeigenbestückten" Mitteilungen der Presse existierte jedoch noch ein Medium, das wegen der gleichzeitigen Wirkung durch Optik und Akustik eine weit größere Masse in Staunen versetzen konnte. Amerikanische Filmproduzenten wie "Fox Movie and Tone" und "Paramount" nahmen die wichtigsten Spiele in Bild und Ton auf und zeigten in den Kinos von Paris und später auch in anderen europäischen und amerikanischen Großstädten Ausschnitte der Finalspiele.

Natürlich versuchten daraufhin viele Fans, die Schläge der Spitzenspieler Barna und Bellak nachzuahmen. Doch die meisten scheiterten bei dem Vorhaben, denn sie bedachten nicht, dass die Schlagarten der beiden Spieler äußerst individuell waren und vor allem diese beiden Spieler ihre technischen Fähigkeiten schon von Kindheit Schritt für Schritt erlernt hatten.

Das gefilmte Medienspektakel Tischtennis bewog auch immer mehr nationale Verbände dazu, am internationalen Spielgeschehen teilzuhaben. Hatten die wenigen Teilnehmer aus Indien und den Vereinigten Staaten bisher nur eine Alibifunktion für die sonst rein europäischen Weltmeisterschaften, so sollte sich bei den nächsten Weltmeisterschaften schon eher andeuten, dass sie sich immer mehr zu einem kontinentalen Ereignis entwickelten.