5. Weltmeisterschaften

Budapest 1931

EINE KLEINE GEMEINSCHAFT MIT GR0SSEN QUALITÄTEN

 

 

Die V. Tischtennisweltmeisterschaften - "V. asztali tennis vil gbajoks " - fanden das zweite Mal in Budapest statt. Sie wurden diesmal vom 10.-15. Januar 1931 im Saal "Sporttelet" ausgetragen.

 

 

Abb. 53 "Der Turniersaal der Weltmeisterschaften 1931 in Budapest / Im Spiel Jensen-Schweden gegen Kelen - Ungarn"

 

Erneut eröffnete das ungarische Team mit einem 5:0 Sieg über die Jugoslawen den Mannschaftswettbewerb. Die ungarische Auswahl mit Bellak, Kelen und David ließ keinen Zweifel an ihrer Spielstärke aufkommen. Sogar die amtierenden Vizeweltmeister aus Schweden wurden mit souveränem Ergebnis geschlagen. Ansonsten gab es keine großen Überraschungen am ersten Spieltag. Die Spiele um den Swaythling-Cup hatten folgenden Ausgang: Schweden - Deutschland 5:1, Österreich - Rumänien 5:1, Tschechoslowakei - Indien 5:0 und England - Litauen 5:1.

Der zweite Tag der Mannschaftswettkämpfe barg schon eher einige Überraschungen in sich. Vizeweltmeister Schweden wurde von den Tschechen 5:3 besiegt. Die Österreicher steckten gegen Lettland eine 5:2 Niederlage ein. Die recht unterschiedlichen Leistungen der Mannschaften resultierten daraus, dass die Spieler öfters ausgewechselt wurden. Da die meisten Nationen bis zu sechs Repräsentanten für die Dreiermannschaften meldeten, spielten die leistungsstärksten Spieler nicht bei allen Begegnungen mit. Welche Mannschaft das beste Aufgebot stellte und sich wieder den Swaythling-Cup holen würde, war schon im Vorhinein klar. Sie hatte inzwischen schon den Namen "golden team" erlangt. Die ungarische Serie mit zehn Siegen von zehn Spielen bei einer Bilanz von 50:2 Punkten demonstrierte die Überlegenheit der Mannschaft.

Die deutsche Vertretung verließ bei dieser Weltmeisterschaft das erstemal die untere Hälfte des Plazierungsfeldes. Vor allem mit dem deutsch-griechischen Spitzenspieler erreichte das Trio Madjaroglou, Nickelsburg und Schwager ein positives Gesamtergebnis.

Platzierungen im "Swaythling-Cup" - Herren-Mannschaften:

1. Ungarn (MF: Z. Mechlovits, G.V. Barna, L. Bellak, L. David, I. Kelen, M. Szabados), 2. Tschechoslowakei und England, 4. Schweden, 5. Deutschland, 6. Österreich und Lettland, 8. Rumänien, 9. Jugoslawien, 10. Litauen, 11. Indien.

 

Das Teilnehmerfeld im Herreneinzel erreichte mit 124 Spielern eine neue Rekordzahl. Schon gleich in der 1. Runde machten Niederlagen des Ungarn Kelen, des Engländers Haydon und des Österreichers Liebster gegen bisher unbekannte Gegner deutlich, dass der erhöhte Zugang zum Tischtennissport auch das gesamte Spielniveau anhob.

Für eine besondere Überraschung sorgte Abwehrspieler Madjaroglou. Er brachte es fertig, mit Bellak, Boros und David direkt drei ungarische Spitzenspieler hintereinander aus dem K.o.-Feld auszuschließen. Sogar gegen den amtierenden Weltmeister gewann er im Halbfinale die ersten beiden Sätze, konnte danach aber den sicheren Attacken Barnas nicht mehr standhalten. Dank einer günstigen Auslosung hatte auch der ungarische Außenseiter Kovacz das Halbfinale erreicht. Gegen Szabados zeigten sich dann allerdings seine Schwächen.

Nach dem frühen Ausscheiden von Bellak standen sich wieder einmal Szabados und Barna in einem Finale gegenüber. Barna hatte zuvor bei den Österreichischen Meisterschaften Szabados geschlagen, Miklos Szabados wiederum hatte ihn bei den englischen Meisterschaften und den ungarischen Titelkämpfen besiegt. Doch anstatt eines spannenden Kampfes zwischen zwei ebenbürtigen Weltklassespielern wurde ein klarer 3:0 Sieg geboten. Szabados übernahm den Weltmeisterschaftstitel Barnas. Die beiden wurden später noch mehrere Male Finalisten von internationalen Turnieren. Ihr souveräner Weg bis zum Endspiel begründete unmissverständlich ihre besondere Stellung in der Rangordnung der Spitzenspieler.

Finale im Herren-Einzel:

Miklos Szabados (Ungarn) - Gyözö Viktor Barna (Ungarn) 3:0 (21:12, 24:22, 21:14).

1. Szabados (Ungarn), 2. Barna (Ungarn), 3. Kovacz (Ungarn) und Madjaroglou (Deutschland).

 

 

Abb. 54 "Zwei Meister ihres Sports! Links: Weltmeister Szabados/ rechts: Madjaroglou, Deutschlands Spitzenspieler"

 

Das Dameneinzel fand am selben Tag im Saal "Elora" statt. In voller Damenkleidung spielend sorgte hier die deutsche Spielerin Müller-Rüster für einen sensationellen Sieg gegen die hochfavorisierte Annus Sipos. Sipos hatte sich im Spiel gegen ihre Landsmännin Kameromi so verausgabt, dass sie gegen Müller-Rüster nur noch einen Bruchteil ihrer Leistungen bringen konnte.

Im Finale hatte die deutsche Spielerin aber nicht die Spur einer Chance. Sie gewann zwar einen Satz gegen Mednyanszky, es zeigte sich aber in den deutlich ausfallenden Gewinnsätzen, dass sie dem aggressiven Rückhand-Spiel der Ungarin nicht gewachsen war.

Finale im Damen-Einzel:

Maria von Mednyanszky (Ungarn) - Erika Müller-Rüster (Deutschland) 3:1 (21:8, 16:21, 21:8, 21:13).

1. Mednyanszky (Ungarn), 2. Müller-Rüster (Deutschland), 3. Gal und Sipos (beide Ungarn).

 

 

 

Abb. 55 Das Finale zwischen M. von Mednyanszky und M. Müller-Rüster

 

Im Herrendoppel spielten wieder Barna/Szabados einen konkurrenzlosen Durchmarsch bis zum dritten Titelgewinn in Folge. Beachtenswerte Leistungen schafften noch das Österreichische Doppel Liebster/Fehr, die im Halbfinale nur knapp gegen Kelen/ David verloren.

Finale im Herren-Doppel:

G.V. Barna/M. Szabados (Ungarn) - I. Kelen/L. David (Ungarn) 3:1 (21:15, 21:16, 20:22, 21:18).

1. Barna/Szabados (Ungarn), 2. Kelen/David (Ungarn), 3. Liebster/Feher (Österreich) und Lauterbach/Svoboda (Tschechoslowakei).

 

Im Damendoppel zeigte sich eine Parallele zu den Herren. Das deutsche Paar Schmidt/Müller-Rüster verlor im Halbfinale knapp gegen die Ungarinnen Gal/Tiszai, die aber den hohen Favoriten und amtierenden Weltmeister Mednyanszky/Sipos nicht mehr viel entgegenzusetzen hatten.

Finale im Damen-Doppel:

M. von Mednyanszky/A. Sipos (Ungarn) - M. Gal/L. Tiszai (Ungarn) 3:1 (21:17, 19:21, 21:17, 21:13).

1. Mednyanszky/Sipos (Ungarn), 2. Gal/Tiszai (Ungarn), 3. Schmidt/Müller-Rüster (Deutschland) und Forbath/Reitzer (Österreich).

 

Nach diesen ungarischen Erfolgen konnten die Wettkämpfe im Gemischten Doppel nur noch eine reine Angelegenheit der ungarischen Paare werden. Die Doppelfinalisten der Damen und Herren standen im Finale des Gemischten Doppels alle an einem Tisch. Mednyanszky/Szabados bezwangen Sipos/Barna. Hier gingen sogar die beiden dritten Plätze an ungarische Doppel.

Finale im Gemischten Doppel:

M. von Mednyanszky/M. Szabados (Ungarn) - A. Sipos/G.V. Barna (Ungarn) 3:1 (21:17, 19:21, 21:17, 21:13).

1. Mednyanszky/Szabados (Ungarn), 2. Sipos/Barna (Ungarn), 3. Gal/Glancz (Ungarn) und Komaromi/Bellak (Ungarn).

 

Nach dieser Weltmeisterschaft versuchte das ITTF Komitee eine provisorische Weltrangliste zu erstellen. Da man sich noch nicht auf eine besondere Regelung der Zusammenstellung einigen konnte, wurden einige Ränge mehrfach besetzt. Die oberen Platzierungen lauteten:

Herren 1./2. Szabados und Barna; 3./4. Bellak und Kelen; 5./6. Bull und Madjaroglou; 7.-10. Liebster, David, Perry und Lauterbach

Damen 1. Mednyanszky; 2.-5. Gal, Bromfield, Sipos, Gubbins; 6.-8. Müller-Rüster, Kolbe, Schmidt

Außerdem wollte man eine Statistik erstellen, um einen allgemeinen Überblick über die Zahl der Vereine und deren Mitglieder zu bekommen. Das Komitee stieß sehr schnell auf Schwierigkeiten, denn so genau hatte eigentlich noch kein Verband solche Daten recherchiert. Es ließen sich nur einige Zahlen in Erfahrung bringen. England besaß ca. 800 Clubs mit insgesamt ca. 10.000 Spielern, der DTTB hatte mittlerweile ca. 150 Vereine bzw. Abteilungen in Mitgliedschaft genommen, Ungarn besaß nur 20 Vereine und der Österreichische Verband sogar nur 17.

Diese Statistik war schon damals ein Beweis dafür, dass allein die Masse der Tischtennisspieler einer Nation nicht ausschlaggebend für die Qualität ihrer Spieler ist. Der Grundsatz der englischen und deutschen Funktionäre, ihre guten Spieler allein nach dem Kriterium der Anzahl der erfolgreich durch gestandenen Wettkämpfe auszusuchen, ging nicht auf. Die bessere Qualität seines Trainings, das gezielte Anwenden und Wiederholen von bestimmten wenigen Schlägen in einem methodischen Ablauf, der Wechsel von Übung und Spiel und die Konzentration guter Spieler auf einen Ort, das vor allem waren die Faktoren, die die Ungarn zu einer starken Tischtennisnation machten.

Viktor Barna erkannte insbesondere die Wechselbeziehung der Beachtung der persönlichen Eigenarten eines Spielers und das Verhältnis von Spieler und Trainerzahl als wichtige Gesichtspunkte für das wirksame Training. Er lehnte deshalb das Massentraining ab, bei dem ein Trainer für sehr viele Spieler zuständig war.

Es sollte aber noch eine ganze Weile vergehen, ehe diese Erkenntnis bei den meisten Vereinen bzw. Verbänden umgesetzt wurde.