3. Weltmeisterschaften

Budapest 1929

FRED PERRY, EIN TALENT FÜR TENNIS UND TISCHTENNIS

 

 

Im Zuge der allgemeinen optimistischen Stimmung der Goldenen Zwanziger Jahre fanden Mitte Januar 1929 in der ungarischen Hauptstadt Budapest die dritten Weltmeisterschaften statt. Gespielt wurde im "Vasas", einem großen Saal, der sonst für Veranstaltungen der Angestellten der ungarischen Eisenbahnen vorbehalten war. Neue Teilnehmer der Weltmeisterschaften waren die Vertreter aus Jugoslawien, Rumänien und Litauen, die alle erst ein paar Monate zuvor ihre nationalen Verbände ins Leben gerufen hatten.

 

 

Abb. 46 Eröffnung der Weltmeisterschaften 1929 in Budapest

durch den ungarischen Staatssekretär Dr. Erwin Schröder

 

Am 14. Januar 1929 fand das Eröffnungsspiel um den Swaythling-Cup statt. Hier mussten die jugoslawischen Neulinge direkt gegen die amtierenden Weltmeister antreten, um zu erkennen, wie groß deren spieltechnischer Vorteil war. Aber auch die nachfolgenden Begegnungen mit Österreich, der Tschechoslowakei, Wales und Rumänien verlor das jugoslawische Team. Erst das Spiel gegen Litauen wurde mit 5:4 wieder interessant. Durch den klaren Leistungsrückstand zu den anderen Nationen waren allerdings die meisten jugoslawischen Spieler so entmutigt, dass sie schon nach Beendigung der Mannschaftsspiele wieder nach Hause fuhren. Die Gesichtspunkte, durch großen Zeit- und Trainingsaufwand schon erworbene Titel zu behalten oder an das Niveau der guten Spieler heranzureichen, traten in den Vordergrund.

Den Mannschaftstitel gewannen die Ungarn mit so deutlichem Vorsprung wie nie zuvor. Im Finale siegten sie mit Kelen, Szabados und Barna gegen die österreichische Auswahl mit 5:0. Insgesamt kamen die Ungarn auf ein Spielverhältnis von 45:5 Punkten bei neun Spielen. Die Platzierung der ersten drei Ränge fiel wie die vorherige in Stockholm aus, doch diesmal war sie eindeutiger. Der ganze Spielablauf um den Swaythling-Cup war zuvor sicherlich noch nie so schnell durchgeführt worden, da durch die großen Leistungsunterschiede zwischen Ungarn, den anderen etablierten Tischtennisnationen und den neuen ITTF Mitgliedern, die Ergebnisse sehr klar ausfielen, und die Mannschaftsspiele nun stets beim fünften Punkt abgebrochen wurden.

Platzierungen im "Swaythling-Cup" - Herren-Mannschaften:

1. Ungarn (SF: Z. Mechlovits, G.V. Barna, S. Glancz, I. Kelen, M. Szabados), 2. Österreich, 3. England, 4. Lettland, 5. Tschechoslowakei, 6.-8. Deutschland, Rumänien, Wales, 9. Jugoslawien, 10. Litauen.

Abb. 47 Die ungarischen Teilnehmer:

(stehend) I. Kelen, D. David, der Tscheche A. Malecek,

M. Szabados; (sitzend) V. Barna, Z. Mechlovits, L. Bellak

 

Natürlich waren die Ungarn auch im Herreneinzel favorisiert. Doch erfüllten die jungen ungarischen Spieler nicht die Hoffnungen, die auf sie gesetzt wurden. Vizeweltmeister Bellak schied direkt in der ersten Runde aus. Im Achtelfinale kam es zu einem Wettkampf zwischen dem englischen Linkshänder Adrian Haydon und dem im Swaythling-Cup ungeschlagenen Viktor Barna. Dieses Spiel fand besondere Beachtung, weil es für damalige Verhältnisse auf technisch sehr hohem Niveau ausgetragen wurde. Haydon hatte sich auf den "heavy topspin" spezialisiert - ein Schlag, der heutzutage mit dem Treibschlag zu vergleichen ist. Barna, der zwischen Verteidigung aus der Distanz und Angriff wechselte, spielte wiederum seinen bekannten "Barna-Flick", der bei den nächsten Weltmeisterschaften noch für Furore sorgen sollte. Haydon gewann den Kampf dank seines konsequenten Angriffs mit 3:1 überraschend deutlich. Im Halbfinale hatte er allerdings gegen seinen Teamkollegen Perry keine Chance. Perry kannte und nutzte die Rückhandschwäche, um ins Finale zu gelangen. Hier traf er auf den erst 16 Jahre alten Szabados, der zuvor gegen seinen Lehrmeister, den "alten Mechlowitz", nach fünf Sätzen gewonnen hatte.

Für das Publikum galt Szabados als die große Überraschung der letzten Runde, da er noch nie andere größere Turniere gewonnen hatte. Perry war zwar bei den tschechischen und englischen Meisterschaften ins Finale gekommen, konnte aber nicht als Sieger hervorgehen. So war es schwierig, einen Favoriten für dieses Endspiel vorzuschlagen. Vor einer imponierenden Kulisse von 5000 Zuschauern bewies Perry in seinem Abwehrspiel eine so große Sicherheit, dass der junge Szabados sich nicht viele Risiken leisten konnte. Zudem war Perry kein passiver Verteidiger, der die Bälle nur konstant mit Vorhand und Rückhand unterschnitten zurückspielte, sondern störte den Spielfluss ab und zu mit seinem gefährlichen Vorhand-Drive oder Schmetterball. Szabados verfügte zwar als Allroundspieler über eine größere Anzahl von Schlagtechniken, konnte aber dem sicheren und psychisch stärkeren Perry nicht standhalten. Als Perry den vierten Matchball noch mit einem Rückhand-Drive beendete, erhob sich das Publikum von seinen Plätzen. Es soll zehn Minuten lang auf Perrys Sieg applaudiert haben.

Abb. 48 "So sah Perry als 19-jähriger Sieger in den Tisch-Tennis-Weltmeisterschaften aus!"

 

Finale im Herren-Einzel:

Fred John Perry (England) - Miklos Szabados (Ungarn) 3:1 (14:21, 21:12, 23:21, 21:19).

1. Perry (England), 2. Szabados (Ungarn), 3. Mechlovits (Ungarn) und Haydon (England).

 

Während bei den Herren schon deutliche Entwicklungsrichtungen zu bestimmten variierenden Schlagtechniken erkennbar waren, überwog bei den Damen das Schupfspiel. Die einzige Spielerin, die mit einer besonderen Angriffstechnik das Spiel bestimmen konnte, war wieder Maria von Mednyanszky. Sie spielte genau wie Dr. Jacobi fast alle Bälle mit der Rückhand. Selbst auf der Vorhandseite schlug sie den Ball seitlich neben dem Körper mit der Rückhandseite des Schlägers. Mit diesem merkwürdigen Schlag konnte sie allerdings auch in den Angriff übergehen. Eine Spielerin, die Mednyanszky in Bezug auf die Schlagtechnik in den Schatten stellte, war ihre Landsmännin Annus Sipos. Doch konnte sie gegen die Sicherheit von Mednyanszky nicht ankämpfen und verlor beim Aufeinandertreffen im Halbfinale. Das Endspiel überstand Mednyanszky mit einem durchgängigen sechs bis elf Punkteabstand gegen die Österreicherin Wildam. Sie bewies damit ihr hohes Leistungsniveau, dass von keiner der anderen Damen annähernd erreicht werden konnte.

Finale im Damen-Einzel:

Maria von Mednyanszky (Ungarn) - Gertrude Wildam (Österreich) 3:0 (21:9, 21:15, 21:12).

1. Mednyanszky (Ungarn), 2. Wildam (Österreich), 3. Sipos und Gal (beide Ungarn).

 

Im Herrendoppel scheiterten die amtierenden Weltmeister Liebster/Thum schon vorzeitig an den ungarischen Außenseitern Dr. Szegedi/Reti. So kam es, dass das Endspiel nur von den jungen ungarischen Spielern bestritten wurde. Die beiden Allroundtaktiker Barna/Szabados gewannen gegen Bellak/Glancz 3:0 und die nächsten Jahre bewiesen, dass diesen beiden noch eine große Zukunft bevorstand.

Finale im Herren-Doppel:

G.V. Barna/M. Szabados (Ungarn) - L. Bellak/S. Glancz (Ungarn) 3:0 (21:15, 21:14, 21:13).

1. Barna/Szabados (Ungarn), 2. Bellak/Glancz (Ungarn), 3. Perry/Bull (England) und Szegedi/Reti (Ungarn).

 

Daß zwei gute Spieler noch kein gutes Doppel spielen, zeigte sich bei den Damen. Hier gewann das deutsche Paar Metzger/ Rüster gegen die Favoriten aus Ungarn Mednyanszky/Sipos nach einem 2:0 Satzrückstand. Nach diesem überraschenden Sieg gab es für die Deutschen im Finale gegen die Österreicherinnen Wildam/Flamm mit einem 3:0 Spielgewinn keine Probleme mehr, um die erste Weltmeisterschaft für Deutschland entgegenzunehmen.

Finale im Damen-Doppel:

E. Metzger/E. Rüster (Deutschland) - T. Wildam/F. Flamm (Österreich) 3:0 (21:14, 21:15, 21:13).

1. Metzger/Rüster (Deutschland), 2. Wildam/Flamm (Österrreich), 3. Gal/Zador (Ungarn) und Mednyanszky/Sipos (Ungarn).

 

Das Ausspielen der Weltmeisterschaftstitel im Gemischten Doppel konnte wieder nur eine reine Angelegenheit der ungarischen Spieler werden, da sie das Gros der Spieler stellten. Anscheinend war diese Art der Wettkampfaustragung bei einigen Spielern unbeliebt, wie folgende Anekdote beweist: Der ungarische Spielführer Mechlovits wusste genau, dass sein junger Landsmann Istvan Kelen normalerweise nicht in der "gemischten" Konkurrenz mitspielen würde. Deshalb schloß er mit ihm die Wette ab, dass er als alter Routinier sich auf jeden Fall besser platzieren würde. Und tatsächlich, Mechlowits vermochte den jungen Star der ungarischen Mannschaft so anzuspornen, dass er sich zusammen mit Anne Sipos gegen die Paare Kolbe/Kohn, Forbath/Feher und Wildam/Liebster mit jeweils 3:0 Siegen ohne Schwierigkeiten bis ins Endspiel durchspielte, während die amtierenden Weltmeister Mednyanszky/Mechlovits schon im Halbfinale gegen Gal/Bellak ausschieden. Als Kelen/Sipos sich sogar noch im Finale durchsetzten, gewann Kelen nicht nur die Wette und das gesetzte Geld, sondern zum Schluss noch zusammen mit seiner Partnerin die Weltmeisterschaft.

Finale im Gemischten Doppel:

A. Sipos/I. Kelen (Ungarn) - M. Gal/L. Bellak (Ungarn) 3:1 (19:21, 21:7, 21:13, 21:8).

1. Sipos/Kelen (Ungarn), 2. Gal/Bellak (Ungarn), 3. Wildam/Liebster (Österreich) und Mednyanszky/Mechlovits (Ungarn).

 

Bei der ITTF Ratssitzung wurden folgende Länder als Mitglieder aufgenommen: Litauen, Frankreich, Rumänien, Jugoslawien, Ägypten und Japan. Die Japaner wurden durch die Meldungen über die Weltmeisterschaften aufmerksam und gaben bekannt, dass auch bei ihnen das "Ping-Pong" sehr beliebt sei. Allerdings dauerte es noch einige Zeit, bis ihre Materialien und Regeln an den internationalen Standard angepasst waren. Bis zur Teilnahme an den Weltmeisterschaften vergingen noch 23 Jahre. Der Antrag, einen ägyptischen Tischtennisverband mit in die ITTF aufzunehmen, lässt sich daher erklären, dass mit dem Spiel vertraute britische Soldaten in Kairo stationiert waren. In Frankreich wurde zwar bereits 1927 ein nationaler Verband gegründet, doch scheute man sich vor einer Teilnahme bei internationalen Turnieren. Allerdings veranstaltete man nach Berliner Vorbild in Paris die internationalen französischen Tischtennismeisterschaften.

Vor allem die Ungarn waren es, die ganz Nordeuropa bereisten, um ihr Können unter Beweis zu stellen. Sie waren auch die Ersten, die sich ganz auf Tischtennis konzentrierten und das ganze Jahr hindurch ihr Training absolvierten. Besonders beliebt waren die internationale Turniere in den Großstädten Deutschlands. Aufgrund der oft hoch gelobten Organisation solcher Turniere wurden die nächsten Weltmeisterschaften in die deutsche Tischtennismetropole Berlin vergeben.